Eigentlich ist die Idee gar nicht abwegig: Wir essen und verarbeiten jeden Tag fleischliches. Wir schlachten und tragen Pelze und Felle auf unserem Körper, wieso also nicht auch Fleischkleider?
Die kanadische Künstlerin Jana Sterbak hat sich mit diesem Themenkreis auseinandergesetzt und ein Fleischkleid geschneidert. Jedoch ist es nicht zum Tragen im Alltag gedacht, zum Wärmen und Verkleiden der Haut, sondern als Installation und Kunstobjekt. Jana Sterbak ist Konzept-Künstlerin. Berühmt wurde sie mit ihrem Fleischkeid „Vanitas: Flesh Dress for an Albino Anorectic“. Aber auch andere Kleider hat sie als Kunstobjekte entworfen. So gibt es auch ein Stahlkleid und ein ferngesteuertes Kleid auf Rädern.
Das Fleischkleid sieht tatsächlich aus, als könne man es tragen und die Künstlerin hatte es selbst an. Jedoch schon nach kurzer Zeit beginnt der Zerfallsprozess. Das Kleid verändert sich und damit wird der Prozess des Vergehens sichtbar. Es ändert sich die Farbe, der Geruch. Mit Salz kann es konserviert werden, bis es schließlich einem Trocknungsprozess unterliegt und aus dem weichen Material ein hartes Objekt wird.
Die Thematik streift die Vergänglichkeit. Das Kleid zerfällt, wie auch wir selbst, nur viel schneller, für uns sichtbarer. Nichts ist für ewig und alles im Wandel. Der Tod haftet schon am Material, denn für alles Lebendige benötigt es Energie und ein Wachsen aus sich selbst heraus. Dieses Versprechen kann das Fleischkleid nicht erfüllen, es sei denn man sieht den lebendigen Körper, der im Kleid steckt, als den lebendigen Samen der Frucht.
Im Grunde sollte es das Natürlichste der Welt sein. Wir sind aus Fleisch, wir werden aus fleischlichem geboren und wir essen Fleisch. Es wird lediglich das Innere nach außen gekehrt, gleichzeitig wird aus einem gewesenen Lebewesen ein Kleidungsstück. Anders aber, als bei einem Fell, welches kuschelig weich ist, bleibt beim Fleisch-Kleidungsstück das Material roh und blutig. Fleischkleider kombinieren so das Leben, die Nacktheit, Rohheit und das Benutzen des Anderen. Denn die Frage stellt sich doch: Ist man mit einem Fleischkleid nackt oder angezogen? Wer wird hier benutzt und zu welchem Zweck?
Jana Sterbak führt uns mit sehr einfachen Materialien, wie Brot, Stahl oder eben Fleisch, ganz rudimentäre Bedürfnisse, Sehnsüchte und Notwendigkeiten vor Augen. Ein Fleischkleid einmal zu tragen hinterlässt einen bleibenden Eindruck für das Gegenüber, aber auch für einen selbst. Die Haut gefriert zu Gänsehaut. Umhüllt von jemand anderem, einem Toten, wird man auf den eigenen Körper zurückgeworfen.